100 Jahre Reifen Richter

Drei Dinge waren Roland Richter schon vor Geburt sicher:

… sein Vorname, Gummi im Blut und den Willen auch gegen Widerstände anzukämpfen.
Der Reifenfachhändler aus Wernigerode im Harz kann in diesem Jahr auf eine 100-jährige Geschichte in der Reifenbranche zurückblicken. Mittlerweile gehören dem Unternehmer drei Standorte im Harz, er ist seit 16 Jahren im Vorstand des Branchenverbandes BRV und seit zwei Jahren im Gesellschafterrat bei Point S.

Wer das Büro des heutigen Firmenchefs betritt,

… dem fallen die gerahmten Fotografien auf. An der Wand hängt die 100-jährige Geschichte des Unternehmens, eine wechselhafte Zeit. 1921 eröffnete „Max“ Roland Richter als Vulkaniseur den ersten Betrieb der Familie, und zwar die „Vulkanisier- Anstalt“ in Halberstadt. Repariert wurden damals hauptsächlich Fahrradreifen und nur wenige Autoreifen. Step-by-Step ging es voran. Doch dann kam der Zweite Weltkrieg, sein Sohn Roland Richter sen. wurden eingezogen, auf Halberstadt flogen die Bomben, der Betrieb wurde zerstört.

Nach Kriegsende war es dann Roland sen.

… der gemeinsam mit seiner Frau Elsbeth im September 1946 einen neuen Betrieb gründete. Diesmal in Wernigerode und unter dem Namen „Dampf-Vulkanisierwerkstatt Roland Richter“. „Natürlich war das damals eher eine Baracke. Die Mittel waren bescheiden auch das Werkzeug. Es war echte Knochenarbeit“, so erinnert sich der heutige Firmenchef an die Erzählungen seiner Familie. Während hauptsächlich Reparaturen an Schläuchen und Pkw, Lkw- und Traktorreifen ausgeführt wurden, „rutsche man in die DDR hinein“.
Als selbstständiger Handwerker wurde man ja vom System nicht gewollt“, erzählt der heutige Firmeninhaber. „Wenn mein Großvater Reifen wollte, musste er dies an den Rat des Kreises melden. Aber da standen sie dann auch nur auf Papier.“ Immerhin: „Mein Opa war einer der ersten Reifenhändler, die eine Auswuchtmaschine in der DDR hatten.“

Seit 1979 führte dann der Vater

… von Roland Richter – der natürlich auch Roland hieß – den Betrieb. Hier arbeiteten Eltern, Großeltern und ein oder 2 Monteure. Und natürlich war auch der heutige Firmenchef schon mit von der Partie, denn schließlich wohnte die Familie direkt in einer Wohnung über dem Unternehmen. In den 70er und 80er-Jahren gab es dann Reifenkontingente. ca.20.000 Pkw-Reifen für Trabi und Wartburg und Co. standen dem Betrieb zu. Sie wurden nicht geliefert, sondern wurden mit Pkw und Anhänger vom Chemiehandel Magdeburg abgeholt. Immer ca.200 Reifen pro Tour. Eine Fahrt ca. 80 Kilometer hin und 80 km zurück. Diesem Umstand war es auch zu verdanken, dass der heutige Firmeninhaber schon mit 16 den Führerschein machen durfte.

„In der DDR war das Geschäft schwierig.

… Als selbstständiges Unternehmen musste immer mit Vorsicht agiert werden, innerhalb des DDR-Regimes war ein freies Unternehmertum nicht gewünscht und stand unter besonderer Beobachtung. Nicht nur, dass Reifen schwer zu bekommen waren, es wurden auch gleich die Preise vom Staat festgelegt. Ein Trabireifen der Größe 5.20-13 kostete 136,- DDR-Mark. Ein Arbeiter verdiente im Durchschnitt rund 750 Mark im Monat. Deshalb waren viele runderneuerte Reifen im Einsatz. Die Marge am Reifen betrug ca. sieben Prozent“, die Preise waren vorgegeben und standen sogar am Reifen dran. Auch die Dienstleistungspreise waren genehmigungspflichtig und waren gering, erinnert sich Roland Richter an die Erzählungen.

1983 zog Roland Richter dann aus dem Harz nach Berlin.

Hier machte er seine Ausbildung zum Vulkaniseur und Reifenmechaniker bei den Berliner Reifenwerken. „Meinem Vater war es wichtig, dass ich über den Tellerrand schaute“, erinnert er sich. Nach der Ausbildung ging es sofort zur Musterung und dann in den Grundwehrdienst der Volksarmee. Zurück im elterlichen Betrieb ging es für ihn gleich zur Meisterschule und der Vulkaniseur-Meisterbrief wurde im März 1989 vergeben.

Nach der Wende 1989 trat Vater Roland Richter dann der Point S bei,

… eröffnete 1991 eine Filiale im rund 20 Kilometer entfernten Osterwieck. 1992 erfolgte dann der Umzug aus der Stadtmitte von Wernigerode auf die grüne Wiese ins neugegründete Gewerbegebiet der Stadt. „Mein Vater war risikobereit und dies hat sich gelohnt. Wir konnten in der Stadtmitte keine Lkws bereifen es war alles viel zu eng.“. Am neuen Standort im Gewerbegebiet gibt es vier Pkw-Bühnen und eine Lkw-Halle. Roland Richter: „Mittlerweile verkaufen wir hierdurch im Jahr rund 1.800 Lkw-Reifen. “ Das Unternehmen ist mit zwei Fahrzeugen im 24-Stunden-Pannendienst im Einsatz.
Die Ausbildung zum Kfz Techniker erfolgte in München so zwischendurch und hat für neue Geschäftsfelder gesorgt.

2003 übernahm dann Roland Richter

… den Betrieb. Und ein Jahr später kam die Filiale im niedersächsischen Bad Harzburg dazu. „Ich hatte das gar nicht vor. Aber an einem Sonnabend kam ein Kunde aus Bad Harzburg zu uns und sagte, dass die Filiale von „Holert und Konz“ dort schließt. Ich bin noch am gleichen Tag dorthin gefahren und habe mir das Objekt angeguckt. Die hatten uns bis dahin immer das Leben schwer gemacht, mit Preisen, die einfach Gaga waren. Dort hat Dunlop nur Bestände loswerden wollen, die Preise waren einfach nicht abbildbar“, so Richter. Noch am gleichen Tag habe er Kontakt mit dem Vermieter aufgenommen und der Deal war perfekt. „Der Laden musste zwar total saniert werden, es hat sich aber gelohnt.“ Zunächst habe er seinen Vater dort noch einige Zeit für den Umbau angestellt. Seit der Eröffnung laufe das Geschäft fast ohne jede Werbung. „Wir haben uns da ganz einfach auch einen guten Namen gemacht. Wir leben von unseren Stammkunden“, so Roland Richter.

In seinen drei Betrieben hat er
25 Mitarbeiter beschäftigt.

…davon 3 Auszubildende. Auch sein Sohn hat nach 1,5 Jahren BWL-Studium im Familienunternehmen eine Ausbildung zum Kfz-Mechatroniker gemacht und diese im Januar 2022 erfolgreich abgeschlossen. Vom Branchenfachverband BRV wurde der „Junior“ für sein Engagement während der Ausbildung sogar mit dem Ausbildungs-Award 2022 ausgezeichnet. Und wie soll es anders sein: Auch er heißt Roland. Allerdings „Max“imilian Roland Richter, wie auch schon sein Ururgroßvater. Er arbeitet jetzt als Geselle im Unternehmen, baut damit sein Know-how täglich weiter aus, möchte noch seinen Meister im Kfz-Handwerk machen und eines Tages mit der Übernahme des Familienunternehmens in die Selbstständigkeit starten. Dadurch ist die fünfte Generation bei Reifen Richter gesichert.

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Damit der Betrieb auch gut für die Zukunft aufgestellt ist,

… setzt der heutige Firmenchef auch auf die Weiterbildung seiner motivierten Mitarbeiter: „Bei uns hat jeder den kleinen E-Schein, einige sogar den großen E-Schein. Damit wollen wir sicherstellen, dass wir auch an den E-Autos arbeiten können.“ Roland Richter ist sich aber nicht sicher, ob alleine die E-Mobilität die Zukunft ist. Er rechnet damit, dass auch Wasserstoffantriebe und Verbrenner im Rennen sind.
Ich empfinde das totale Verbannen der modernen und sehr schadstoffarmen Diesel und Benzinmotoren als absolut falsch. Natürlich müssen zukunftsweisende Technologien entwickelt und eingesetzt werden. Aber mit der Brechstange und ohne Infrastruktur wird es kurzfristig eher chaotisch und zu Problemen führen. Auch die ökologische Betrachtung muss umfassend sein ( Herstellung, Rohstoffe, Recycling, Umweltschutz ), manchmal ist es sehr wichtig richtig zu prüfen und dann zu entscheiden, so Roland Richter.

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